Musikproduktionstechnische Orientierungsphase

Seit einigen Wochen befinde ich mich in einer musikproduktionstechnischen Orientierungsphase. In den letzten Jahren war ich als Produzent, Arrangeur und Instrumentalist so aktiv wie nie, habe meinen Output erhöht und in den Albumproduktionen für mich musikstilistisches Neuland betreten. Beispiele dafür wären etwa „NDW“ (2015), „Music from ‚Star Wars’ for Small Ensemble“ (2015), „So klingt Würzburg 2016!“ (2016) und zuletzt „Urban Chic & Country Cool“ (2017). Ich habe nicht nur wie üblich gesungen und Gitarre gespielt, sondern zum Teil sehr aufwändig neuarrangiert, mir unvertraute Instrumente gespielt, nahezu alles selbst auf eigenem Equipment aufgenommen und das meiste auch nachbearbeitet. Nebenbei habe ich auch angefangen zu „schrauben“, will heißen: Ausgehend von Loops, Beats und Samples aus der DAW-internen Library habe ich Tracks zusammengebastelt, zum Teil kamen noch händisch eingespielte Instrumente dazu (Querflöte, Toms, Becken). Beispiele dafür wären „Nights in white Satin“ von Sandra Buchner oder „Self Control“ von Doro T (von ihr werden bald zwei weitere Tracks folgen).

Ich konnte durch diese Arbeiten viele wertvolle Erfahrungen machen, habe neue Stärken, aber auch Schwächen an meiner Denk- und Arbeitsweise erkennen können. Ich habe festgestellt, dass Arbeitsaufträge, festgelegte Abläufe und klare Zielsetzungen eine befreiende Wirkung auf mich haben. Ich arbeite gerne mit kreativen Partnern auf Augenhöhe zusammen, bin nach wie vor neugierig und entdeckungslustig, kann einen Prozess gut konzipieren und bringe die Projekte zu einem befriedigenden Ende. Andererseits bin ich aber auch ungeduldig, fordernd, langweilige Arbeitsroutinen ziehen mir den Stecker. Bin bei manchen Entscheidungen unsicher, tausche mich (zeit-)intensiv mit anderen aus versenkte mich unangemessen tief in die Thematik, neige zu grundsätzlichen Auseinandersetzungen, finde zwar eine Lösung, aber oft zu einem hohen persönlichen Preis.

Ende letzten Jahres habe ich gespürt, dass ich an eine produktionstechnische Grenze gestoßen bin. Ich habe mir und anderen bewiesen, was produktionstechnisch möglich und machbar ist und zwar auch mit bescheidenen Mitteln. Nun möchte ich einen Schritt weitergehen, also nicht immer betonen müssen, unter welchen besonderen technischen Bedingungen die Produktionen entstanden sind. Man braucht dafür inspirierende musikalische Ideen, ein funktionierendes Team, die entsprechenden technische Möglichkeiten, Zeit und Muse.

Bezüglich meines Equipments erkenne ich allerdings einen Reformstau. Das hängt damit zusammen, dass ich mit meinem alten iMac, dem einfachen Interface von Presonus (Firestudio) und der DAW (Logic) gut zurecht komme. Habe allerdings inzwischen Neumann Mikros und gute Vorverstärker nachgerüstet. Wenn man nicht jedes Software Update mitmacht, kommt man unweigerlich an den Punkt, wo ein größeres Update so viele Konsequenzen im Soft- und Hardwarebereich nach sich zieht, dass es einfacher ist weiter auf dem laufenden System zu bleiben im vollen Bewusstsein, dass einem evtl. wertvolle neue Features einfach nicht zur Verfügung stehen. Mein iMac ist heuer 10 Jahre alt, also digitaltechnisch eine Art Methusalem und hat die ganze Zeit treu seinen Dienst verrichtet. So langsam laufen einige Sachen aber nicht mehr, ein Upgrade ist evtl. noch machbar, würde aber vermutlich mehr Probleme schaffen als beseitigen. Wenn ich demnächst ein aktuelles Modell anschaffe, muss ich in der Folge auch DAW und Notationsprogramm updaten, Interface und Festplatten sowieso. Ich habe dies zum Anlass genommen mal grundsätzlich über meine Arbeitsweise nachzudenken.

Es ist nämlich nicht nur die Hardware. Auch musikstilistisch stelle ich fest, dass sich meine Präferenzen deutlich verändert haben. Früher versuchte ich die Musik, die ich mochte, selbst zu spielen. Ich hörte Songwriter der 1970er wie Jim Croce, Don McLean und Jackson Browne und wollte klingen wie sie. Ich spielte ihre Songs nach, schrieb eigene Songs in ihrem Stil und eiferte ihrem Sound bei Aufnahmen im Studio nach. Das hatte im Rückblick schon fast epigonenhafte Züge. Es gab dabei keinen musikstilistischen Zusammenhang zwischen dem Musikgenre, das ich pflegte und der popmusikalischen Realität, die mich umgab (1990er: Grunge, Techno, Gangster-Rap, Neo-Punk, Electro etc.). Hin und wieder gab es Versuche aus diesem Muster auszubrechen: „Pictures in my mind“ (2004), „Signs I-III“ (2005), „Improvised Ambient Music for Dancers“ (2007), „InD“ (2009), aber einen deutlichen Bezug zu zeitgenössischer, angesagter Popmusik hatten auch diese Produktionen nicht, es waren klangtechnische Experimente um den eigenen musikalischen Horizont zu erweitern.

Inzwischen hat sich aber etwas verändert: Ich höre fast komplett andere Musik als ich produziere. In den letzten Jahren sind das höchst intensive und exklusive Phasen von klassischem Jazz (Lee Morgan, Kenny Burrell, Thad Jones, Chet Baker), zeitgenössischer Pop (Bruno Mars, Adele, Katy Perry, Britney Spears, Justin Biber) und eine eklektische Mischung aus Trip-Hop, Electro, Ambient, Dub etc. (Halsey, James Blake, Chet Faker, Portishead, Massive Attack). Gerade die letzten beiden Genres interessieren mich auch produktionstechnisch, obwohl mir klar ist, dass ich das gar nicht machen kann und will. Ich bin aber nachhaltig begeistert von der massiven Dichte von ungewöhnlichen Klangerlebnissen, denen man da als Hörer ausgesetzt ist.

Auch wenn ich da nicht hin will, würde ich doch gerne Elemente davon auch selbst bei zukünftigen Produktionen einbauen, wenn es denn passt. Dazu muss ich aber ansatzweise verstehen, was eigentlich gespielt und gemacht wird und das ist für mich als klassisch ausgebildeten Musiker und selbstgelernter Produzenten gar nicht so einfach zu sagen. Fängt ja schon damit an, dass es einen allgemeinen Standard längst nicht mehr gibt, falls es ihn denn jemals gegeben haben sollte. Heute arbeiten die Produzenten auf verschiedenen DAWs, verwenden unterschiedliche vorgefertigte Klangquellen, erstellen eigene Samplelibraries, haben ein Heer von Plug-In-Effekten, die Kombination von digital und analog ist längst gängige Praxis, es wird studio- und länderübergreifend produziert, teilweise ist jeder Track eines Albums mit unterschiedlichen Beteiligten an verschiedenen Orten von verschiedenen Produzenten erstellt worden. So etwas kann man als Einzelperson in seinem Projektstudio einfach nicht leisten.

Nichtsdestotrotz ist natürlich auch viel im kleinen Rahmen möglich. Gute Ideen können immer noch eine enorme Kraft entfalten. Und weil Anregung von außen bei so was sehr nützlich sein kann, habe ich darüber mit anderen Homerecordern, Schraubern, Mixern, Produzenten und sogar Musikern (!) unterhalten. Wir haben uns gegenseitig unsere aktuellen Tracks vorgespielt und ehrlich kommentiert und das war sehr lehrreich für mich. Habe mir in der Folge gleich neue Mikros (Neumann 184er) gekauft und bin gedanklich immer wiederholt meine komplette Signalkette vom Mikro über Wandlung, Rechner, Abhöre bis zum Transfer an den Mixer, Editing, Mixing und Mastering durchgegangen um mögliche Schwächen zu finden. Dabei stelle ich fest, dass ich auf Basis meines Könnens und meiner Erfahrungen noch mehr probieren und wagen sollte und ein höheres künstlerisches Risiko eingehen will. Das drängt sich vor allem bei der Produktion meiner eigenen Songs auf und da steht das nächste Album ja mehr oder weniger unmittelbar bevor (2018?). Bis zum Sommer stehen also eine paar technische Veränderungen an: Gerätschaften auswählen (einlesen, ausprobieren, anschaffen), dann einarbeiten, neue Demos machen und im Herbst kann’s dann hoffentlich mit neuen Möglichkeiten und Ideen losgehen, die Songs sind bereits geschrieben.

3 Gedanken zu „Musikproduktionstechnische Orientierungsphase

  1. Es ist nicht zweifelsfrei zu verstehen, worauf du abzielst. Vermutlich willst du einfach mehr Tools nutzen wollen – was natürlich”sehr abendfüllend” werden wird. Es geht dir nicht darum, ambient, drone, industrial usw zu produzieren…worum sich ja ein millionenheer schon bemüht.

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