Truck Stop: Tourauftakt in der Posthalle, Würzburg

Mein Vater ist ein Mann mit liberalen Überzeugungen. Er hat mich ermutigt die Welt zu erkunden und mich im Wesentlichen vor drei Dingen gewarnt: Den Verzehr von Meeresfrüchten, der Springer-Presse und deutschsprachiger Countrymusik. Vermutlich hatte ich deswegen ein mulmiges Gefühl als ich zusagte ein Konzert der legendären deutschen Countryband Truck Stop zu besuchen und einen Bericht darüber zu verfassen.

Die Band formierte sich bereits 1973 in Seevetal-Maschen (Landkreis Harburg) „gleich bei der Autobahn“ und feierte ihre größten Erfolge Ende der 1970er mit Titeln wie „Ich möcht so gern Dave Dudley hör’n“ (1978), „Take it easy altes Haus“ (1979) und „Der wilde, wilde Westen“ (1980). Im unterfränkischen Würzburg, also weitab der geistigen und postalischen Heimat der Band, startete die als Clubtour angekündigte Konzerttournee durch Deutschland. Das aktuelle Album „Made in Germany“ (2017) war nur wenige Wochen zuvor erschienen.


Ich hatte mir in letzter Minute eine zauberhafte Begleitung organisiert und zu zweit liefen wir Richtung Eingang, vor der Tür war aber erstmal nicht viel los. In der Halle selbst konnten wir bei schummrigem Licht einige Cowboys mit Hut, Bandana und Stiefeln erkennen. Waffen trugen sie keine, mussten anscheinend beim Ritt in die Stadt an den Citylimits dem Sheriff übergeben werden. Ich hatte mir vorsichtshalber ein kariertes Hemd angezogen, man will ja nicht unangenehm auffallen und da ist man mit angemessener Kleidung meist gut beraten. Es waren jedoch nicht nur Westernfans, Trucker und Rittmeister in der Halle, sondern auf den ersten Blick auch erstaunlich viele normale Menschen (na gut, was ist schon normal?). Quer durch alle Alters- und Gesellschaftsschichten, klein, groß, dick, dünn, alles dabei.

Pünktlich wie die Tagessschau um 20.00 und also genau wie angekündigt betrat die Band die Bühne und legte routiniert los. Guter Sound, gute Band, gute Laune, so könnte man es zusammenfassen. Die Songs waren alle etwas kurz, Platz für freie Improvisation war nicht vorgesehen. Die Telecaster twangte, die Geige fiedelte und die Steel Guitar jaulte, knackige Arrangements, schöne Gesangschöre und alles sehr sattelfest. Es wurde einige Klassiker und sehr viele Songs vom aktuellen und vergangenen Album gespielt. Das weiß ich allerdings nur, weil zwischen den Songs unterhaltsam moderiert wurde, übrigens immer mit dem Verweis, wie und wo man die neue CD kaufen kann.

Die Band besteht aus vier altgedienten Mitgliedern und zwei jungen Neuzugängen an Fiddle/Gitarre und E-Gitarre/Mandoline. Arrangements, Sound und Performance sind sehr überzeugend, eher traditionell als modern oder innovativ, dabei aber nicht altbacken, sondern durchaus ansprechend. Ich ertappte mich ein paar Mal dabei wie ich ordentlich mitgroovte, während neben mir lautstark mitgebrüllt wurde („Die Cowboys von der Waterkant mit ihrem Nashvillesound“). Musikalische Highlights waren sicher die Einlagen von Steel Guitarist Knut Bewersdorff und Gitarrist Chris Kaufmann. Andreas Cisek singt sich ordentlich durchs Repertoire und Teddy Ibing darf mit ein paar komödiantischen Einlagen gute Laune verbreiten. Songschreiberisch bewegen sich die Songs hart an der Grenze zum deutschen Schlager, auch wenn das von den gelungenen Arrangements klug kaschiert wird. Allenfalls kratzen sie hier und da mal an der Oberfläche irgendwelcher Allerweltsthemen, textlichen Tiefgang jeglicher Art sucht man leider vergebens. Trotzdem ist die Band sympathisch, erfüllt ihren Auftrag und unterhält ihr Publikum bestens. Gibt schließlich schlimmere Sachen als einen halben Saal voll Zuhörer zum Mitsingen und Tanzen zu bewegen, schon klar.

Selbst war ich hin und hergerissen zwischen Anerkennung und Skepsis. Schon ganz cool, was die da machen, aber irgendwie auch wieder nicht. Sehr cool ist, dass die Band sich, ihre Musik und das Publikum ernst nehmen, selbst wenn zum Tourauftakt vermutlich weniger Leute da waren, als sie sich gewünscht hätten. Nicht so cool ist das epigonenhafte, dieses oberflächliche, dieses seichte. Bei den witzigen Nummern geht das noch in Ordnung, die ernsteren Nummern ersticken dagegen in einfachen Floskeln und eindimensionalen Wortspielen. Da hat dann jede picklige Garagenpunkband aus Unterpleichfeld mehr Rock, Roll und Soul als diese gelackte Showband mit Hut.

Zusammenfassend muss ich sagen, dass ich, vielleicht auch wegen meiner netten Begleitung einen guten Abend hatte. Man darf bei der Bewertung auch nicht vergessen, dass einige der Herrschaften auf der Bühne hart auf die 70 zugehen oder sie bereits überschritten haben. Vermutlich auch deswegen war erstmal pünktlich nach 90 Minuten Schluss, es folgte noch eine knackige Zugabe, dann ging das Licht an. Meinen Lieblingssong „Mein Opa, das bin ich“ (1983) spielte die Band in Würzburg übrigens leider nicht, schade. Da hätte ich vielleicht sogar mit gesungen, fand ich als Kind unheimlich witzig. Bin mir allerdings nicht sicher, ob ich meinen Vater von dem Konzertbesuch erzählen werde. Will ihn auf seine alten Tage nicht zu sehr von mir enttäuschen.

Weitere Termine der Clubtour finden sich auf der offiziellen Website. Howdy!

9 Gedanken zu „Truck Stop: Tourauftakt in der Posthalle, Würzburg

  1. siehste da liegt der Unterschied mein Vater hat das gehört und mich damit genug davor bewahrt! Kinder machen doch eh immer das Gegenteil von dem was die Alten so machen…ergo könnendeine Kids nur im Schlager oder Kommerzpop enden ! höhö

  2. Komm, gibs zu: Dir hats doch gut gefallen:-) Hättest du Bernhard mitgenommen anstatt, sogar noch besser.
    @Bernhard: Die Revolution ist doch die, dass die Kids aus Protest garkeine Musik hören werden. Sowas von uncool.

    • @Gerhard: Da wird dann die Revolution zur Devolution, im Sinne eine “gänzliche Aufgabe eines Kulturelementes” (Wikipedia) und die ist schon längst im Gange.

      Erst nach Veröffentlichung meines Konzertberichts fand ich zufällig heraus, dass bei Truck Stop von den sechs Gründungsmitgliedern genau fünf ersetzt wurden, also alle bis auf den komödiantischen Schlagzeuger Teddy. Was ich gehört und gesehen habe ist im weitesten Sinne ein neuzeitliches Re-Enactment bzw. Franchise. Genau genommen eine Coverband, die sich durch sukzessiven personellen Übergang in eine neue Inkarnation verwandelt hat. Interessantes Geschäftsmodell, aber hat natürlich so gar nichts mit der in diesem Genre so viel bemühten Authentizität bzw. Realness zu tun. Der südtiroler Leadgitarrist Chris Kaufmann war zur Zeit der Bandgründung vermutlich noch nicht einmal geboren. Aber vermutlich ist auch er nur eine Übergangslösung und die nächste Generation steht schon bereit.

      Kann bei einer solchen Sachlage nicht auch irgendwie verstehen, dass unsere Kinder da Lust und Interesse verlieren? Vielleicht wissen sie nicht, dass sie verarscht werden, aber sie spüren es, da bin ich mir sicher.

      Es ist gerade im Musikgeschäft sehr ehrenhaft eine bewährte Idee in Würde ausklingen zu lassen, anstatt sie für ewige Zeiten als lebendigen Leichnam künstlich am Leben zu halten. Ein Hoch auf den Schlussakkord (gerne mit Fermate). Ist gut für die kulturelle Hygiene.

  3. @Dennis…macht AC DC doch auch so . nur noch ein Gründungsmitglied dabei – sehs doch analog zu Orchestern, da gibts doch auch nur den Namen des Ensembles…
    @Gerhard meiner Erfahrung nach hören die schon noch musik, aber halt eben ganz anders als wir;

    • Oder Pink Floyd oder Guns’n’Roses oder oder oder. Die Idee war ursprünglich aber mal eine andere. Songs, Produktion und Performance von einer Person oder einem geschlossenen Bandkollektiv. Das hat in den 1950ern den Unterschied gemacht zum nöligen Tin-Pan-Alley-Musical-Gedudel. Und die neuen Helden waren Hank Williams, Carl Perkins, Johnny Cash, Buddy Holly, Chuck Berry etc. Dieser im Vergleich grundehrliche Ansatz wurde im Laufe der Zeit verraten, oft genug ausgerechnet von Bands, die genau mit dem Anspruch angetreten waren.

      Denke im übrigen, dass AC/DC nicht mehr auftreten werden, die wollten letztes Jahr nur noch die vereinbarten Termine abfrühstücken, da waren Steve und vor allem Axl immerhin originelle & unterhaltsame Lückenbüßer.

  4. Ich glaube die Stones spielen noch “fast” in der Urbesetzung. Allerdings war ich nie ein Fan von Schreihals Mick Jagger, weswegen ich das also nicht mit Sachverstand beurteilen kann. Meine Tochter steht grad auf Heavy Metal. Ich weiß nicht was ich davon halten soll…..

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