Album: „Titok“ von Ferenc Snétberger

Ferenc Snétberger ist Ungar und entstammt einer Roma-Familie. Er studierte Gitarre am Béla-Bartok-Konservatorium in Budapest, spielte im Anschluss seine ersten Alben ein und siedelte 1988 nach Berlin um. Seitdem hat er unzählige Konzerte gespielt, mit namhaften Künstlern zusammengearbeitet und viele weitere Aufnahmen gemacht. Zuletzt erschien das Solo-Livealbum „In Concert“ (2016) beim deutschen Renommier-Label ECM. Bereits im Mai 2015 allerdings wurden Studioaufnahmen gemacht, die erst im Mai 2017, also genau zwei Jahre nach ihrer Entstehung, veröffentlicht wurden. Das soeben erschienene Album trägt den Titel „Titok“ (2017). Warum es so eine erstaunlich lange Zeit im Archiv schlummerte, bleibt unklar. Umso erfreulicher ist es, dass es nun veröffentlicht wurde.

Snétberger spielt klassische Gitarre und wird von Anders Jormin am Kontrabass und Joey Baron am Schlagzeug begleitet. So entsteht eine klassische Triojazzbesetzung, die aber gar nicht so traditionell klingt. Das liegt an den zwei nuancenreichen Saiteninstrumenten, dem sensibel bedienten Schlagwerk und dem unaufdringlich balancierten Gesamtmix. Keine scharfen Blechbläser, kein Schilfrohrröhren, hier klingt alles weich, warm und sonor, fein aufeinander abgestimmt, insgesamt sehr angenehm zu hören.

Die zwei Eröffnungstücke und die drei Schlussnummern des Albums sind frei improvisiert und Rahmen acht Kompositionen des Bandleaders ein. Laut Pressetext ist Snétbergers Musikstil von einem breiten Spektrum von Einflüssen von Django und Roma über lateinamerikanische Musik und amerikanischen Jazz bis zu klassischen europäischen Traditionen (Barock bis Zeitgenössisch) geprägt. Und diese Charakterisierung trifft es eigentlich ganz gut. Man hört tatsächlich Farben und Linien des Jazz-Manouche, des Tango, Renaissance-Anklänge, modale Wendungen und modernen skandinavischen Jazz. Snétbergers eigenes Spiel nimmt deutliche Anleihen am Klangideal des klassischen Gitarrenspiels, Finderspiel statt Plektrum, reiche Dynamik, breites Spektrum an Klangfarben, hat dabei den Ensemblesound aber immer im Blick. Wenn man es kritisch betrachtet ist Spielweise und Abmischung ECM-typisch fast zu schön geraten, es fehlen mitunter etwas osteuropäische Härte und Mut zu provokanter Hässlichkeit. Die Tempi sind langsam bis Mid, die Rhythmen gerade, es ist alles tight, swingt aber nicht, die melodischen Linien werden selten synkopiert, der Klang ist dauerhaft ausgewogen. Da kommt an keiner Stelle Hektik oder Betriebsamkeit auf. Streckenweise klingt es wie kultivierte Meditationsmusik, Entspannungsklänge für den sehr frühen Morgen oder den sehr späten Abend. Das musikalische Konzept bleibt in sich geschlossen, erscheint jedoch absolut stimmig.

Leider gibt es kein Teaservideo des Labels zum neuen Album, aber zum ersten Album „In Concert“ ist ein sehenswertes Feature erschienen. Ferenc Snétberger spielt das Releasekonzert zum aktuellen Album am 1. Oktober im A-Trane in Berlin.

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert