Essay: Instrumentalunterricht als Personal Coaching (3)

Fazit
Bei näherer Betrachtung der Beziehungsmodelle Lehrer/Schüler und Coach/Coachee bzw. Trainer/Klient lassen sich konstituierende Merkmale erkennen. Im Verlauf ist zu den zwei Modellen noch das traditionelle Verhältnis Meister/Lehrling dazu gekommen. Zusammengenommen decken die drei Varianten weite Teile der möglichen Ausprägungen eines dauerhaften Unterrichtsverhältnisses ab. Kombinieren lassen sie sich aufgrund ihrer unterschiedlichen Grundstrukturen nicht, stehen also jedes für sich.

Das Modell Meister/Lehrling ist durch ein starkes hierarchisches Gefälle geprägt und langfristig angelegt. Der Lehrling untersteht dem Meister, folgt seinen Anweisungen in dem Vertrauen, dass der Prozess lehrreich und komplett ist. Er profitiert vom Erfahrungswissen des Meisters und kann durch ein ausgewogenes Verhältnis von theoretischem Unterricht und praktischer Arbeit umfängliches Wissen und nützliche Erfahrungen sammeln.

Das Modell Lehrer/Schüler hat ein mittleres hierarchisches Gefälle und ist mittelfristig angelegt. Der Schüler darf Wünsche und Ideen äußern und diese werden, falls machbar, vom Lehrer bei der individuellen Unterrichtsgestaltung berücksichtigt. Der Lehrer ist fachlicher Experte und praktischer Anleiter, weite Teile der Übungsarbeit werden jedoch vom Schüler selbständig verrichtet. Eventuell tragen auch noch andere Lehrer zum Fortkommen des Schülers bei (Theorie, Ensemble, weitere Instrumente, Gesang, Chor). Ein Lehrerwechsel im Laufe der Entwicklung ist von Zeit zu Zeit ratsam, weil andere Lehrer neue Inhalte mitbringen und andere fachliche Aspekte betonen.

Das Modell Coach/Coachee oder Trainer/Klient ist kurz- bis mittelfristig angelegt und endet mit dem Erreichen des anvisierten Ziels. Im Modell existieren zwei unterschiedliche hierarchische Richtungen. Einmal der von Klient (Auftraggeber) zu Trainer (Dienstleister), andererseits die entgegen gesetzte von Trainer (Experte) zu Klient (Ratsuchendem). Dieses doppelte Gefälle macht das Verhältnis gleichzeitig interessant und labil. Interessant, weil das anvisierte Ziel, auf Augenhöhe besprochen und der Weg dorthin klar strukturiert wird. Labil, weil der Auftraggeber (Klient) sich leichter von einem Dienstleister (Trainer) abwendet, als von einem Lehrer oder Meister, frei nach dem Motto: wer zahlt, schafft an.

Für das Erlernen eines Instruments scheint das Modell Lehrer/Schüler ideal geeignet zu sein, weil es einerseits eine regelmäßige fachliche Betreuung, andererseits inhaltliche Spielräume, sowohl für den Lehrer, als auch für den Schüler bietet. Die im Coachingmodell angestrebte Fähigkeit von Selbstorganisation und Entwicklungskontrolle wird hier von Anfang an eingefordert und ist natürlicher Bestandteil des täglichen Übens. Fortschritte sind im musischen und auch im instrumental-technischen Bereich äußerst individuell und relativ, eine empirische Datenerhebungen und analytische Betrachtung daher nicht sinnvoll.

Das Modell Meister/Lehrling im Instrumentalunterricht kommt in einer abgeschwächten Form allenfalls bei einer weiterführenden Ausbildung wie z.B. einem Musikstudium zu tragen. Hier kann ein Professor vorübergehend die Funktion eines Meisters einnehmen, dessen Methodik sich der Student (Lehrling) mittelfristig unterwirft um selbst instrumental-technische Meisterschaft zu erzielen. Im weiteren Verlauf eines solchen Verhältnisses gelten ähnliche Gesetzte wir beim klassischen Vorbild: Nach den Lehrjahren bzw. Studium oder Ausbildung folgen Wanderjahre, bei der persönliche Verbindungen des Meisters noch eine entscheidende Rolle spielen können.

Das Modell Coach/Coachee ist im instrumental-technischen Bereich nur für kurzfristig erreichbare Ziele zu empfehlen. Eine Einsatzmöglichkeit ist fest umrissene Projektarbeit, z.B. die Erarbeitung einzelner Stücke oder die Arbeit an Kompositions-, Songwriting- oder Musikproduktionsprojekten, bei denen eine spezielle, punktuelle Beratung gefragt ist, insbesondere dann, wenn eine spontane, externe Einschätzung und Ideen für alternative Vorgehensweisen hilfreich zu sein scheinen um ausgetretene Pfade und etwaige Sackgassen zu verlassen und neue Wege beschreiten.

In Varianten wird das Modell bei Workshops und sog. Meisterkursen angewandt. Hier werden griffige Lösungen für konkrete instrumental-technische Probleme und alternative Sichtweisen angeboten. Unterrichtsangebote bei Treffs, Tagungen und Festivals dienen auch als unverbindliche Gelegenheit andere Lehrer und Meister kennenzulernen.

Outro
Das Unterrichtsverhältnis zu dem Schüler, der mich als seinen Personal Guitar Coach betrachtete, endete für mich ungewöhnlich, aber letztlich ziemlich passend: Da das Ziel (Gitarre spielen lernen) nicht konkret erreicht werden konnte, ließ seine Motivation immer mehr nach. Zum Ende erschien er stets unvorbereitet, immer öfter aber auch gar nicht mehr, selbstverständlich ohne Mitteilung oder nachträgliche Entschuldigung. Warum auch, er war Auftraggeber und zahlte durchgehend, auch wenn er nicht zur vereinbarten Stunde kam. Irgendwann kam er einfach gar nicht mehr, meldete sich auch nicht mehr. Es war genauso wie bei den Mitgliedern eines Fitness-Centers, die keine Lust mehr haben. Da ruft auch keiner an und sagt, dass er/sie nicht mehr kommt, man lässt es einfach wortlos auslaufen. Der Vertrag zwischen mir und dem Schüler lief noch bis zum Sommer, bis dahin erhielt ich monatliche Zahlungen, dann war der Vertrag erfüllt und das (Unterrichts-)Verhältnis aus finanzieller Sicht beendet, wenn auch fachlich erfolglos. Für mich konnte ich feststellen, dass ich, was den Instrumentalunterricht angeht, lieber als Lehrer tätig bin als als Coach bzw. Trainer.

7 Gedanken zu „Essay: Instrumentalunterricht als Personal Coaching (3)

  1. Das im Outro angeklungene verstehe ich gut.

    In einem anderen Bereich, den ich in Teil 1 als Kommentator angerissen hatte, mag es solche Phänomene auch geben. Man könnte sich jemand Namhaftes leisten und ihn aus seinem Fach erzählen lassen. Hineinschnuppern sozusagen.

    • Das ist dann kein Unterricht, keine kontinuierliche Anleitung, außerdem auch monologisch.

      Im Nachhinein ist mir noch aufgefallen, dass ich das sog. autodidaktische bzw. nicht-institutionalisierte Lernen nicht berücksichtige habe. Aber es ging ja auch um dialogische Unterrichtsmodelle, nicht um monologische (Selbst-)Lernmodelle.

      • Muß nicht monologisch sein. Man fragt evtl. ganz begierig dies und jenes zum Thema, das würde dazugehören, ist aber nach vielleicht 5 Abenden durch mit dem Thema.
        Weiter vertieft man die Sache nicht, da man jetzt eine Ahnung vom Thema hat. Und die genügt einem.

  2. Outro:
    Schade! Aber das logische Ende.
    Traurig ist nur, und das ist bei uns in D fast schon normal, ich zahle also bin ich König und muss mich dafür auch nicht bedanken, oder vielleicht abmelden.
    Gesehen habe ich den Typ nie, aber ein deutliches Bild von ihm.

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