Umsonst & Draussen? Bezahlt & Drinnen! (2019)

Zurzeit findet in Würzburg gerade das Umsonst & Draussen Festival auf den Talavera Mainwiesen statt. Ich habe dort innerhalb von zwölf Jahren acht Mal mit verschiedenen Bands gespielt und dabei zusammengenommen genau Null Euro Gage erhalten und das obwohl das Festival jedes Jahr eine mittlere sechsstellige Summe an Umsatz generiert. Meine Enttäuschung darüber war irgendwann so groß, dass ich dort im Jahr 2010 mein letztes Konzert absolvierte. Ich habe meine Kritik gegenüber den Veranstaltern formuliert und im weiteren Verlauf auch kleine Essays zum Thema auf diesem Blog veröffentlicht. Offiziell wurde nicht reagiert, aber kurze Zeit später wurden auf einmal Minigagen an die Musiker ausgezahlt, evtl. eine Reaktion auf meine Kritik. Ich bin seitdem nie wieder, auch nicht als Zuhörer, beim U&D gewesen, obwohl es nur 300m von meiner Wohnung stattfindet.

Ich habe neben dem U&D auch schon damals für alle möglichen Veranstalter zu allen möglichen Anlässen auf allen möglichen Bühnen gespielt. Vor ca. zehn Jahren habe ich mich entschieden nie wieder ohne Gage zu spielen, wenn andere Leute damit gleichzeitig Geld verdienen. Bis zum heutigen Tag habe ich das auch konsequent durchgezogen und werde es so beibehalten. Ich spiele seitdem jedes Jahr mehr, allesamt gut bezahlte Termine, allerdings finden die Konzerte fast ausschließlich nicht-öffentlich, also in geschlossener Gesellschaft statt. Es sind Hochzeiten, Geburtstage, Betriebsfeiern, Schiffsfahrten, Galaabende, Abschlussbälle, manchmal auch Wein- und Hoffeste etc. Die Anforderungen an die musikalische Arbeit sind hoch, gearbeitet wird äußerst professionell, die Kollegen sind gut ausgebildete Berufsmusiker, die Band funktioniert wie ein geöltes Uhrwerk, wir sind pünktlich, bestens vorbereitet, klingen gut, verhalten uns freundlich, sind ordentlich angezogen, stellen uns auf unsere Zuhörer ein, können bei Bedarf aber auch switchen, unsere Arbeit wird gewürdigt und ordentlich bezahlt. Bei lokalen und regionalen (meist von öffentlicher Hand geförderten) Festivals spielen wir absurderweise keine Rolle, einzig allein aus dem Grund, weil wir für unsere Arbeit angemessen bezahlt werden wollen. Aus unserer Sicht ist es wiederum schwer zu verstehen, warum andere Musiker und Bands, die zum Teil durchaus ihre Qualitäten haben, bereit sind ihre Arbeitskraft an professionelle Ausbeuter zu verschenken.

Gestern Abend hatte ich eines von vielen Engagements auf einem der Kreuzschiffe, die von Amsterdam zum Schwarzen Meer entlangfahren und dabei auch den Main passieren. Bei deren Haltestationen zwischen Frankfurt und Bamberg liefern wir als einzige regionale Formation das sogenannte off-board Entertainment. Internationales Publikum von USA bis Australien, von Mexiko bis Großbritannien. Während ich abends am alten Hafen (Cinemaxx / Kulturspeicher) mein Equipment an Bord trug, wehten vom anderen Mainufer verwaschene Klänge von einer der U&D-Bühnen herüber (“Hallo Würzburg, seid ihr gut drauf?”). Dort spielten wieder junge und mittelalte Bands für Bratwurst und schales Bier. Ich wurde stattdessen vom Kapitän willkommen geheißen und in den klimatisierten Salon, unserer Konzertstätte, an das Tanzparkett geleitet. Unsere Show startete pünktlich, wir spielten Bossa, Swingjazz und Easy Listening. Die Zuhörer waren bestens gelaunt, sangen laut mit und tanzten wie wild. Umsonst & draussen? Bezahlt & drinnen! Ich habe mich für die richtige Flussseite entschieden.

7 Gedanken zu „Umsonst & Draussen? Bezahlt & Drinnen! (2019)

        • Das U&D entstand ja mal aus einer guten Idee heraus. Lokalen und regionalen Nachwuchsbands sollte im halbwegs professionellem Rahmen ein Forum geboten werden. Im Laufe der Jahre wurde das Festival immer finanzstärker und die Bands immer profesioneller. Das Prinzip keine Gagen zu zahlen wurde beibehalten, während im Hintergrund im großen Stil Kasse gemacht und ordentlich verdient wurde.

          Ich habe das Festival Anfang der Nuller Jahre noch als Chance begriffen meine Musik einer Öffentlichkeit zu präsentieren. Im Laufe der Jahre wurde mir langsam klar, dass jeder (wirklich jeder) am Festival verdient außer die Musiker selbst. Dazu kamen beträchtliche negative Auswirkungen außerhalb des Veranstaltungszeit. Ein Veranstalter fragte mich mal (vollkommen berechtigt), warum er mir eine Gage zahlen soll, wenn ich kurz vorher ohne Gage auf dem U&D gespielt habe. Zuhörer ließen erkennen, dass sie nicht Eintritt für eines meiner Konzerte zahlen, wenn ich vorher bei freiem Eintritt beim U&D spiele. Die lokale Club- und Konzertkultur hat in den letzten Jahrzehnten schwer unter den diversen Umsonstevents (U&D, Stramu, Stadtfest) gelitten inkl. massivem Club- und Konzertbühnensterben (Barleycorn, Pleicher Hof, Blauer Adler etc.). Diese Zerstörung der lokalen Musikkultur wurde sogar noch vom städtischen Kulturamt finanziell subventioniert.

          Ich sah die einzige Möglichkeit darin dieses Spiel nicht mehr mitzuspielen. Dadurch habe ich natürlich an öffentlicher Präsenz verloren, auf meine Finanzen und meinen künstlerischen Output hatte es jedoch einen positiven Effekt, was ich eindeutig an Zahlen (Buchungen, Gagen, Zugriffe) ablesen kann.

          Bis heute verstehe ich allerdings nicht, warum andere Bands dieses Spiel mitmachen. Es muss wohl an Geltungssucht und am Mangel an Alternativen liegen, anders kann ich es mir nicht erklären. Lieber umsonst spielen als gar nicht? Mein Motto dagegen: Lieber bezahlt spielen als umsonst. Dazu braucht es allerdings ein Mindestmaß an stilistischer Flexibilität und musikalischem Handwerk.

          Und mal ehrlich: Welcher Musiker spielt lieber umsonst, wenn er auch eine anständige Gage bekommen könnte?

          • “Öffentliche Präsenz” – damit wird immer argumentiert.
            Ich selbst würde nicht umsonst auftreten wollen, daher habe ich ” in meinem Bereich” so etwas ausgeschlossen.

  1. Moin Dennis. Recht haste!
    Auch das Afrikafestival ist mir seit Jahren viel zu kommerziell geworden.
    Ein guter Bekannter (du wirst ihn am 13.Juli kennenlernen) hat damals das Afrikafestival mit gegründet und war viele Jahre Mitorganisator. Irgendwann hat er auf den Kommerzscheiß keinen Bock mehr gehabt und aufgehört.
    Dieses Jahr war ich mit Frau und Tochter nach vielen Jahren mal wieder dort.
    Am liebsten wäre ich nach 30 Minuten wieder gegangen. Die ganzen Müslitrommler gehen mir sowas von auf den …..!
    Nur noch Kohle machen. Sorry wenn ich hier die beiden Festivals vegleiche, aber mich zieht es zu keinen der beiden hin.

    • @Robbie: Danke für deinen Kommentar. Das Afrika ist vollkommen unverhohlen durch und durch kommerziell, da wird wenigstens kein Hehl draus gemacht.

      Das U&D gibt sich allerdings nach wie vor den Anstrich alternativ und allgemeinnützig zu sein (e.V.!). Dass jahrzehnte lang auf Kosten von Tausenden von Bands und Musikern gewirtschaftet wurde, wird da gerne mal weggelassen. Erst kürzlich ließen sich die Veranstalter Ralf Duggen, Hartmut Emser und Tilman Hampl in Interviews der Mainpost für ihre Lebensleistung feiern. Problem ist halt, dass sie immer für ihre Leistung bezahlt wurden. Die Musiker und Bands, die das U&D attraktiv gemacht haben aber nicht. Wer hätte da eigentlich das Lob verdient?

      Das beste ist übrigens, dass ich in all den Jahren nicht nur keine Gage bekommen habe, sondern mir nach meinen Auftritten regelmäßig Foto-, Video- und Tonaufnahmen von meinem eigenen Auftritt zum Kauf angeboten wurden. Damit es jeder kapiert: Ich sollte für Bilder von mir selbst und Musik von mir selbst Geld bezahlen, die es ohne meinen kostenlosen Auftritt gar nicht gegeben hätte.

      Gleichzeitig wusste Ralf Duggen und sein Dunstkreis gar nicht mehr wohin mit den Überschüssen. Haben sich Modelle ausgedacht um Vereinsgelder zu privatisieren (Studioaufnahmen), kauften sich teure, vollkommen unnötige Ausrüstung (Hard- & Software), die sie ausschließlich privat nutzten, liehen dem U&D-Verein als Privatpersonen Ausrüstung (Kaffeemaschinen etc.) zu horrenden Preisen um das Geld des Vereins in die eigene Tasche zu schaufeln. Überprüft doch eh keiner.

      Vor ca. zehn Jahren haben sie dann, neben der konzernwirtschaftlichen (Brauereien, Tabakindustrie, Spielkonsolen), auch noch die öffentliche Förderung entdeckt und auf allen Ebenen ausgeschöpft. Marginale Beträge musste sie davon zur Rechtfertigung auch an die Musiker ausschütten, aber da ist noch genug übrig geblieben, davon darf man ausgehen.

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