Shirati: Kogaja Primaryschool, Rorya – Mara Region

Während ich am Donnerstagvormittag den ersten Blogbericht verfasste, wurde Christof zur Kogaja Primaryschool gefahren um sich ein Bild für unseren ersten Dreh am folgenden Tag zu machen. Die Schule liegt mit dem Geländewagen ca. 1h über unasphaltierte Piste entfernt. Christof besichtigte an diesem Tag die Grundschule und das Gelände außenherum, sprach mit dem Direktor und Lehrern und schaute in einige Klassenzimmer.Blick aus dem Ort Shirati

Unsere Unterkunft: Hotel Owen

Blick in den Ort Shirati

Ich hatte bis Mittag meinen Artikel niedergeschrieben und machte mich zu Fuß auf den Weg zum Hospital um dort Tumaini, einen Mitarbeiter zu treffen, der mir beim Upload behilflich sein sollte. Der Weg führte entlang der staubigen Hauptstraße bei praller Mittagssonne einmal geradeaus durch den Ort. Weil auf der Straße ständig Menschen hin und her laufen, dachte ich mir, ich mische mich mal unters Volk und bewege ich mich fort wie alle anderen auch. Es war kein Schatten weit und breit und ich kann nur sagen, es war sehr, sehr heiß in der afrikanischen Mittagshitze. Zwischendurch bot mir ein Boda Boda-Fahrer (Mopedtaxi) an mich zu fahren. Ich wimmelte ab, wollte nicht in ein Geschäft verwickelt werden, dass ich nicht durchschaute, versäumte dabei völlig den praktischen Vorteil für mich zu erkennen und lief also die ganze Strecke. Von links und rechts wurde ich dabei unaufdringlich beäugt. Irgendwann kam ich überhitzt und verschwitzt beim Hospital an und erfuhr, dass mich eine Fahrt mit dem Boda Boda umgerechnet 34 Cent gekostet hätte.

Im Hospital fand ich gleich meinen Mittelsmann. Der führte mich in das Büro des Direktors, der gerade unterwegs war, ich könne dort ungestört arbeiten, hieß es, und so war es auch. Das Hospital habe gerade keinen funktionierenden Internetzugang, nahm ich erstaunt zur Kenntnis. Das Tags zuvor erwähnte Hostel mit schnellem Wifi befand sich zwar in Sichtnähe, hatte aber anscheinend bereits seit Wochen den Betrieb eingestellt. Tumaini stellte achselzuckend eine Verbindung per Hotspot her und die funktionierte auch, aber ich erreichte einfach nicht die Loginmaske meines Blogs, womöglich, weil ich versuchte mich mit einer afrikanischen IP-Adresse anzumelden. Die nächste Stunden war ich damit beschäftigt, das Problem einzugrenzen und eine Lösung zu finden. Nach mehreren Emails und Telefonaten nach Europa, ging es dann irgendwann, allerdings war es bis dahin bereits Abend geworden. Ich berichte darüber, weil es ein sehr exemplarisches Problem ist. Hier in Afrika brauchen die Menschen mangels Infrastruktur, Technologie, Werkzeugen etc. für die einfachsten Sachen Stunden, Tage oder Wochen, oft genug kriegt man es am Ende auch gar nicht hin. Das kostet unglaublich viel Zeit und Nerven und muss rundum eine frustrierende Erfahrung sein. Naja, ich war froh, dass ich Text und am Ende auch Fotos hochladen konnte und kann mich gar nicht genug bei Tumaini für seine Freundlichkeit, Geduld und Zuversicht bedanken.Auf dem Rückweg zum Hotel wurde ich von Reverent Aguttu Juma Oballa abgefangen. Er hatte anscheinend gehört, dass europäische Musiker Filmemacher im Ort waren und bot mir an mir sein Aufnahmestudio zu zeigen, wäre auch nicht weit weg und überhaupt, der Mann war sehr überzeugend. Das Ministudio befand sich gut abgesichert in einem kleinen Verschlag nahebei und trägt den klangvollen Namen „Aguttu Talents Recording Studio“. Edwin Killion, ein junger Mann aus der Gegend, wirkt hier als Aufnahmeleiter und Musikproduzent und zeigte mir einige seiner letzten Gospelproduktionen, vielleicht wird eine davon im Abspann des Films eingesetzt.

Abends dann ein Happen zu essen. Es gibt fast überall Reis und Bohnen, dazu meist auch Fisch oder Rindfleisch, nur wird das hier mit Knochen, Knorpeln und Gräten gekocht und serviert. Nicht so mein Ding, ich bin daher, seit ich in Afrika bin, zum Vollvegetarier geworden. Allerdings sind Reis und Bohnen nach drei Tagen, irgendwie auch kein befriedigende Lösung gegen den Hunger. Immerhin bietet das Frühstück etwas Abwechslung: Im Hotel serviert man uns fettige Pfannkuchen mit etwas Omelett, dazu Bananen oder Wassermelone. Als Getränk gibt es Instantkaffee ohne Milch, obwohl in Tansania echter Kaffee angebaut und exportiert wird.

Freitag ging es früh los in die Mara Regio zum ersten Dreh an einer Grundschule. Eine Stunde Rumpelpiste, da ist man schon erledigt, wenn man ankommt. Christof war ja tags zuvor bereits da gewesen und erzählte mir, dass seine niedrigen Erwartungen an den Zustand der Gebäude und Bedingungen sogar noch unterboten wurden. Die Schule befindet sich im absoluten Nirgendwo, Schüler sind die Kinder der umliegenden Kleinbauern. Das Schulgebäude ist sehr einfach gehalten und sieht von außen aus wie ein großer Stall. Die Fensteröffnungen haben kein Glas, sondern breitmaschigen Draht, immerhin zieht so ein sanfter Wind durch den Klassenraum. Die Klassen haben 70-120 Kinder pro Jahrgang, pro Jahrgang hat ein Schüler ein Buch mit Stoff für alle Fächer, die Kinder kommen mit kleinen Trinkwasserkanistern in die Schule, in den Pausen wird nicht gegessen, Pausenbrote gibt es nicht, natürlich auch nichts zukaufen oder Mittagsspeisung, die Kinder hungern tagsüber. Schüler die in der Nähe wohnen gehen mittags kurz nach Hause. Es gibt in den Schulräumen kein fließendes Wasser, keinen Strom, etwas abseits der Schule gibt es Latrinen. Einen Gemeinschaftsraum, Lehrerzimmer, irgendwelche Unterrichtsmaterialien oder Medien, etc. gibt es nicht. Der Sportplatz ist ein benachbartes Feld ohne Tore oder Basketballkörbe. Die Lehrer wohnen auf dem Schulgelände in einfachen Hütten, gekocht wird dort am offenen Feuer im Wohnzimmer, die Eltern und 3-5 Kinder leben in zwei kleinen Räumen, die durch einen Vorhang getrennt sind.

Die Schüler sind neugierig, kommen auf uns zu, nehmen keinen direkten Kontakt auf, weichen aber auch nicht von unserer Seite. Es sieht so aus, als wenn der komplette Schulbetrieb aufgrund unseres Besuches zum erliegen kommt. Hie und da sieht man einen Lehrer, eine Lehrerin. Man kann sie an ihren Ruten erkennen, mit denen sie angeblich nur Drohen und nicht schlagen. Fühlt sich aber nicht so an, die Kinder sind in der Nähre der Lehrer und anderer Erwachsenen auffällig devot, unterwürfig und zurückhaltend, ganz untypisch für Kinder, wie man sie als Europäer kennt. Nicht zufällig wurde die Prügelstrafe in Tansania erst vor einigen Jahren wieder legalisiert (!), erzählt uns unsere Führerin Grace.

Weil ein starker Wind weht, starten wir mit den Audioaufnahmen in einem leergeräumten Klassenzimmer. Eine Gruppe von Kindern singt unisono und tanzt dazu. Klassischer Call and Response: Es gibt einen Vorsänger/eine Vorsängerin und der Kinderchor antwortet. Uns werden drei Lieder dargeboten. Zu jedem Lied haben die Kinder einen anderen Grundtanzschritt, im Hintergrund spielen etwas ältere Jungs auf ziemlich mitgenommenen Handtrommeln und Stöcken dazu. Die Kinder singen und bewegen sich lebendig und voller Energie, Singen und Tanzen scheint ihnen zu gefallen. Die Aufnahmen sind im Kasten und gut gelungen.

Dann startet Christof draußen im Schatten des Mangobaums mit seinem Programm. Mit der Gitarre und einigen Kinderliedern, schafft er eine angenehme Atmosphäre und die Kinder lockern sich spürbar dabei. Während er spricht, singt, Gitarre spielt und Bewegungen vormacht, übersetzt Grace auf Kisuaheli und hat alle Hände voll zu tun, sogar unser Fahrer macht mit bei den Spielen, später kommen noch eine Lehrerin und der Direktor dazu. Als die Musikrunde zu Ende ist, gehen wir wegen des immer noch anhaltenden Windes und der nun erforderlichen Privatsphäre in das leere Klassenzimmer zurück. Wir starten mit den Einzelinterviews von ca. 8-10 ausgewählten Kindern. In den Tagen zuvor hatten wir mit Grace, die wieder als Übersetzer und Mittlerin agiert, die Fragen und die Vorgehensweise erklärt. Sie macht ihre Sache sehr gut, lässt den Kindern viel Raum für ihre Antworten. Christof ist kurz dabei, kümmert sich dann um die wartenden Kinder und verteilt kleine Mitbringsel (Anstecker, Luftballons, Bleistifte). Ich bin während aller Interviews im Raum und mir fällt wieder auf, wie zurückhaltend sich die Kinder verhalten. Sie machen in unserer Anwesenheit keine Witze, lachen kaum, sehen einem nicht in die Augen, reagieren ausweichend, sprechen extrem leise. Bei der Begrüßung haben sie einen schlaffen Händedruck, am Ende machen alle ausnahmslos einen Knicks bzw. Diener. Inhaltlich gesehen sind schöne Aussagen dabei, alles läuft gut.Lehrerin mit Kindern

Mittags verlassen wir die Schule, gehen in einer nahegelegenen Ortschaft essen. Wir stehen draußen, während man die Mahlzeit zubereitet und die Teller befüllt. Dann bittet man uns zum Essen in den dunklen Verschlag. Draußen zu essen bringt nach dem hiesigen Volksglauben Unglück und keiner will, dass die Besucher verhext werden.

Nachmittags begleiten wir Grace bei ihrer Arbeit und besuchen einen Schüler der Schule in seinem Zuhause. Maxwell ist ca. 10 Jahre alt und hat Probleme mit seinem Hörvermögen, allerdings nur auf der linken Seite, deswegen trägt er ein einfaches Hörgerät um den Hals, das mit einem Kabel zu seinem Ohr führt (finanziert vom DAHW). Wir werden von seinen Eltern, Geschwistern, der Großmutter, einer Tante und Nachbarskindern erwartet und freundlich empfangen. Die Familie wohnt zusammen in einer Lehmhütte in einem Raum, nebenan ein Stall, auf dem Vorplatz laufen Ziegen, Katzen, Hunde und Hühner herum. Grace spricht mit der Familie, den Eltern und bezieht auch Maxwell immer wieder ins Gespräch ein. Er ist scheu und zurückhaltend, anscheinend ist ihm der Trubel um seine Person unangenehm, er sagt fast kein Wort, obwohl er von allen Seiten bedrängt wird. Wir machen ein paar Fotos mit der Familie und Nachbarn. Am Ende lässt sich sogar die Großmutter zu einem Foto mit ihren Enkeln überreden.

Suchbild: Wo ist die Oma?

Nach der Rückfahrt (1h Piste) brauchen wir alle eine Pause. Abends sind wir bei einer Mitarbeiterin zum Abendessen eingeladen. Christof und ich bringen kühles Bier mit (Serengeti Lager & Kilimanjaro Pils) mit, aber keiner will etwas abhaben, also trinken wir es selbst. Dort lernen wir auch den 78-jährigen US-amerikanischen Arzt Glen Brubacher kennen. Er stammt aus Pennsylvania, hat aber 30 Jahre in Shirati gelebt und gearbeitet und dort auch seine Ehefrau kennengelernt. Er lebt mittlerweile wieder in den USA, kommt aber jedes Jahr für einige Monate nach Shirati zurück um humanitäre Hilfe zu leisten, diesmal wird eine Wasserleitung repariert, als nächstes die Akkus der Solaranlage des Hospitals.

Es war ein langer, aufregender und produktiver Tag. Am morgigen Samstag werden die Materialien gesichtet, technisch gesehen sind sie okay. Dann Fotos aussuchen und Blogartikel schreiben. Am Sonntag haben wir frei und machen einen Vergnügungsausflug.

4 Gedanken zu „Shirati: Kogaja Primaryschool, Rorya – Mara Region

  1. Erst gestern beobachtete ich nämlich wieder so ne kleine Rotznase, die sich unheimlich darüber aufregte, dass sie die falsche Kugel Eis bekommen hatte. Wenn man sowas liest, kommt man sehr ins Grübeln, wie undankbar und verschwenderisch wir mit unserem Alltag umgehen. Wäre er doch für viele andere purer Luxus! Irre!
    Die Oma hab ich gefunden, hat aber echt kurz gedauert!

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