Boulevard Würzburg (7/2004)
Dennis Schütze: Immer anders
Dennis Schütze über seine neue CD 2174, die Würzburger Musikszene und Streichersoße
Erst mal ein Croissant. Im Imbiss gegenüber wird Dennis Schütze schon mit Namen begrüßt. Er zuckt die Schultern - fast schon entschuldigend. Es ist eben sehr bequem, hier etwas zu essen. Zeitnot. Er bestellt die Croissants samt Liter Milch für den Kaffee und geht zurück in seine Wohnung. Es ist zehn Uhr. Werktags. Zeit zum Frühstück. Doch Dennis Schütze, der seinen Namen in Emails mit den Attributen Singer/Songwriter ergänzt, ist schon lange wach. Das Musiker-Klischee von Sex, Drugs und RocknRoll von wegen! Er hat bereits gearbeitet, Unterricht gegeben, Haushalt gemacht. Der Grund, warum er nachts nicht schlafen kann, liegt nebenan. Seine halbjährige Tochter Mathilda. Dennis Schütze ist zu 100 Prozent Musiker. Er hat nicht nur die Leidenschaft, er hat auch die Ausbildung. Klassische Gitarre studierte er am Würzburger Konservatorium. Als klassischer Gitarrist hat man aber nicht viele Möglichkeiten, erkannte der heute 31-jährige, der zum Studium nach Würzburg kam. Songwriter und Sänger, das ist es, was ihn ausmacht. Seit seinem 16. Lebensjahr komponiert und textet er. Seine neue CD 2174 hat er gerade auf den Markt gebracht. Und gute Kritiken geerntet. Welche Musik macht Dennis Schütze? Meine Musik ist schwer einzuordnen selbst für mich! Die neue CD sei in den klassischen Stilen der Popmusik beheimatet, sagt Schütze. Irgendwo zwischen Westcoast und Country, mit gelegentlichen Ausflügen in Richtung Folkrock und elektrischem Blues. Schütze ist in keine Schublade zu pressen. Seine neue CD, seine sechste, steht in keiner Tradition. Ich bin auf der ewigen Suche nach dem Kick. Deshalb ist jede CD anders. Ich mag das Gefühl der Unsicherheit. Stammhörer hat Schütze deshalb kaum, sein Stil ändert sich zu stark von CD zu CD. Weiß er noch nicht, wo er hin will? Doch, doch. Die Suche nach Neuem mache ich aus Spaß, nicht aus Frust. Ich bin ein postmoderner Mensch: Ich kann morgens Mozart hören, nachmittags Beastie Boys und abends Britney Spears. Und ich kann sagen: Es hört sich alles gut an. Was sich in Schützes Ohren gar nicht gut anhört sind die vielen Cover-Bands in Würzburg. Ich nenne es das fränkische Phänomen. Würzburg hat keine große Musikszene was selbstgemachte Musik betrifft. Dafür gibt es die Coverbands, die sich verbreiten wie ein Krebsgeschwür. Eigene Texte, eigene Musik will in Würzburg niemand hören das ist typisch für die Stadt. Traurig. Schütze verdient sich seine Croissants durch Gitarrenunterricht und Auftritte mit seiner Band Die Musikstudenten. Damit hält er sich über Wasser. Auf den großen Durchbruch im Musik-Geschäft hofft er nicht. Zumindest nicht um jeden Preis. Die Produzenten von Oli P. hatten Interesse an einem Lied von mir Ordinary Woman, das auch auf der neuen CD ist. Ich sollte es singen, aber sie wollten es in die Oli P.-Richtung trimmen. Mit Streicher-Soße und Background-Sängerinnen. Das volle Pop-Programm eben. Ich habe meinen Song nicht mehr erkannt. Schütze hat abgesagt. Ich war fast 30. Da muss ich nicht mehr auf jugendlicher Popstar machen. Das war meine Begegnung mit derMusik-Industrie. Jetzt kann ich wenigstens hier sitzen mit geradem Rückgrat. Jens Brambusch