christophorus-wuerzburg.de (12/2010)
"Das war ein echtes Highlight
Zum Auftakt des JVA-Patenprojekts tritt Dennis Schütze im Gefängnis auf
WÜRZBURG. Die Beats sind so unterschiedlich wie die Charaktere der Männer und Frauen, die auf hellen Holzstühlen im Publikum sitzen: Mal mitreißend-fetzig, mal melancholisch. Vom Poor Boy und vom Black Devil singt Dennis Schütze in der Kapelle der Würzburger Justizvollzugsanstalt zum Auftakt des JVA-Patenprojekts der Christophorus-Gesellschaft. Das war für unsere Insassen ein echtes Highlight, kommentiert Anstaltsleiter Robert Hutter nach einstündigem Programm und zwei begeistert aufgenommenen Zugaben.
Vor Menschen mit ungewöhnlichen Geschichten sang Dennis Schütze am 13. Dezember Rock- und Country-Songs, die von gewöhnlichen und nicht ganz gewöhnlichen Situationen im Leben handeln. Das Gefühl, weit fort von zu Hause zu sein. Die Sehnsucht nach Liebe, die Qualen des Liebeskummers, durchwachte Nächte bei viel zu viel Kaffee. Der Funke zwischen ihm und den Männern, die in fünf Reihen vor ihm saßen, sprang sofort über. Die Frauen oben auf der Empore verfolgten das Konzert mit womöglich noch größerer Begeisterung.
Ungezwungen-locker führte Schütze durch sein kurzweiliges Programm. Dass er mit seiner Band erstmals hinter Gittern auftrat, dass alles neu und fremd für ihn war, merkte ihm keiner an. Ich war zuvor ein bisschen angespannt, gab der sympathische Songwriter zu. Doch die Nervosität viel sofort ab, herrschte doch schon nach den ersten Songs eine Bombenstimmung im Raum.
Johnny Cash mit seinen legendären Knastkonzerten brachte den Musiker auf die Idee, selbst einmal dorthin zu gehen, wo Menschen, deren Weg nicht geradlinig verlief, für eine bestimmte Zeit leben müssen. Über 650 Männer und Frauen sitzen derzeit in Würzburg hinter Gittern. 150 durften an dem Konzert teilnehmen. Höchstens einmal im Monat bekommen sie eine solche Abwechslung vom Knastalltag geboten. Möglich wird dies, wenn Künstler wie Dennis Schütze den Mut haben, sich auf die ungewöhnliche Erfahrung eines Kulturevents hinter Gittern einzulassen.
Jetzt würden wir eigentlich Pause machen und jeder würde sich ein Bierchen holen, ruft Dennis Schütze nach 45 Minuten ins Mikro - und die Männer lachen. Sichtlich genießen sie es, wie der Sänger mit ihnen umgeht. So, als würde es sich um ein ganz normales Publikum handeln. Oder - ein fast normales.
So gesittet geht es bei unseren Konzerten sonst nicht zu! spottet der Mann an der Akustikgitarre und erntet neuerlich Gelächter. Zu gern würden sie jetzt aufstehen, die schweren Jungs und die Mädels auf der Empore. Zu gern mittanzen. Geklatscht wird viel zu den Beats von Percussionist Stefan Schön, mancher funktioniert seine Knie kurzerhand zur Drum um, der eine oder andere Oberschenkel dient als Gitarrenkorpus, auf dem die Rhythmen mitgeschrubbt werden.
Für etwas mehr als eine Stunde wird alles vergessen. Das, was die Männer und Frauen an diesen Ort gebracht hat. Das, was sie ausharren lassen muss in einer der schwierigsten Zeiten des Jahres. Viel zu schnell ist alles vorbei. Nach nur zwei Zugaben gehen die hellen Lichter in der Kapelle an. Erst werden die Männer auf ihre Zellen geführt, dann die Frauen von der Empore heruntergeleitet.
Für Dennis Schütze ist klar: Das war nicht das letzte Mal. Auch JVA-Chef Robert Hutter ist angetan. Und wünscht sich: Nächstes Jahr wieder!
Günther Purlein