Frage: Wo findet eigentlich musikwissenschaftlicher Diskurs statt?

Meine Studienzeit liegt schon eine Weile zurück. Als ich das (Zweit-) Studium der Musikwissenschaft an der bayerischen Universität meiner Heimatstadt antrat, hatte ich gerade das Diplom an einer Hochschule für Musik absolviert. Es war ein praktisch orientiertes Studium gewesen, abgesehen vom Hauptfach, wo man den Lehrer zweimal die Woche in einer Eins-zu-eins Situation gegenüber saß, hatte es kaum Gelegenheiten für einen erweiterten fachlichen Austausch gegeben. Musikpädagogische Erfahrungen sammelte man alleine, es wurde kaum was empfohlen, besprochen oder diskutiert. Aus diesem Grund hatte ich mich auch für ein anschließendes, geisteswissenschaftliches Studienfach entschieden. Für mich gab es mit dem Beginn des Zweitstudiums einiges nachzuholen. Insbesondere in meinen Nebenfächern Amerikanistik und Kulturwissenschaft englischsprachiger Länder gab es bergeweise Texte aus mehr als 500 Jahren zu lesen. Ich richtete mich dabei nach einer Liste von Titeln die im ersten Semester an alle Studenten als kleines, kopiertes Heftchen ausgegeben worden war. Ob man diese Titel gelesen hatte, interessierte im weiteren Verlauf aber dann niemanden mehr. Im Grundstudium wurden in den Einführungskursen und Proseminaren verschiedene Themen an die Kursteilnehmer verteilt, man musste ein Referat darüber halten und am Ende des Semesters eine Seminararbeit abgeben. Lehrbeauftragte waren gestresst und hatten kaum Zeit, Professoren waren so gut wie nicht ansprechbar. So ging es im Hauptstudium weiter: Vorlesung und Seminar besuchen, Referate der Mitstudierenden anhören, Seminararbeit schreiben und abgeben, Schein abholen. Meinungsaustausch oder Diskussionen gab es nicht.
Im Fach Musikwissenschaft wurde mir aufgrund meines Diploms das Grundstudium erlassen. Im Hauptstudium lief es dann allerdings ähnlich ab wie in meinem Nebenfächern: Vorlesungen besuchen und 90 Min. zuhören wie ein Professor schwer verständlich aus seinem Manuskript abliest. Hauptseminare besuchen, Referate der Mitstudierenden anhören, Seminararbeit schreiben, abgeben, Schein abholen, fertig.

Weil ich bereits mein Zweitstudium belegte, war ich schon etwas älter als die meisten meiner Kommilitonen, ich arbeitete damals schon seit mehreren Jahren als Instrumentallehrer und freier Musiker. Das Studium belegte ich nicht in erster Linie um einen Abschluss zu erlangen, sondern aus prinzipiellem Interesse am Fach. Ich hatte damals auch genügend Zeit und mir war oft langweilig. Ich reagierte deswegen oft ungehalten, wenn ich den Weg zur Uni auf mich genommen hatte, vielleicht sogar früh aufgestanden war, und dann von Mitstudenten, Lehrbeauftragten oder Professoren mitunter unengagierte, bräsige Vorträgen anhören musste.

Ich muss für die Seminarteilnehmer und Professoren ein unangenehmer und lästiger Student gewesen sein. Am Ende solcher Vorträge begann ich aus Langeweile und zum Spaß Fragen zu stellen, Ideen zu äußern, unfertige Theorien zu entwickeln, ich wollte mich unterhalten, diskutieren, mit offenen Ausgang streiten. Immer wieder hatte ich gehört, dass der Sinn eines Studiums sei zu einer eigenständigen, kritischen Persönlichkeit heranzureifen. Aber Diskussionen waren nicht erwünscht, sie wurden nicht befördert und sportlich mit Argumenten ausgetragen, nein, ihnen wurde kein Raum gegeben, sie wurden abgewürgt, unkonventionelle Fragen oder provokante Ideen waren nicht erwünscht, es gab keine offenen Foren für (musik-)wissenschaftlichen Austausch, keine inoffiziellen Begegnungsstätten. Stattdessen wurden etablierte, akademische Hierarchien gepflegt, auf Titel und Werdegang wurde genau geachtet. Professoren waren „untouchable“, angeblich immer im Stress, für normale Studierende kaum erreichbar. Ihnen wurde zugearbeitet von Privatdozenten, Doktoranten, Sekretärinnen, HiWis und Tutoren, ein opportunistisches System in dem keiner etwas riskieren wollte/konnte, denn die Stellen sind schwer umkämpft. Kein Platz also für offenen, (musik-)wissenschaftlichen Diskurs.
Von Seiten einiger weniger Lehrbeauftragten und Mitstudenten hatte es ein paar Lichtblicke gegeben, im Großen und Ganzen war ich von den Strukturen jedoch maßlos enttäuscht, von meinen Fächern aber nach wie vor begeistert. Nach dem Ende meines Magisterstudiums brauchte ich deswegen etwas Abstand und stellte für mich fest, dass die konservativen, festgefahrenen Strukturen vielleicht eine Besonderheit meiner Alma Mater gewesen sein könnten. Mittlerweile war mir klarer, wohin sich mein fachliches Interesse ausrichtete, ich begann entsprechende Fachliteratur zu sammeln, mich einzulesen, vereinbarte Termine, führte Gespräche und fand schließlich einen Doktorvater, der bereit war mein Promotionsprojekt zu betreuen.

Während der Promotionszeit war ich Externer, das heißt, ich hatte während der Zeit keinen Job oder Lehrauftrag an der Hochschule. Das ist ungewöhnlich, meist sind eine befristet Anstellung und die Möglichkeit zur Promotion in Deutschland eng miteinander verknüpft. Zumeist ergeben sich daraus ungesunde Abhängigkeiten zwischen Doktorand und Betreuer. Bei mir stand das nicht zur Debatte, weil eine entsprechende Stelle nicht existierte und für mich auch nicht von besonderem Interesse gewesen wäre. Ich verdiente mein Geld zu dem Zeitpunkt auf sehr angenehme Weise als Instrumentalpädagoge und freier Musiker. Mein spezieller Status brachte aber auch organisatorische Nachteile mit sich. Andere Promotionsstudenten, die Mo-Fr im Vor- oder Nebenzimmer ihres Profs verbrachten, waren dauerhaft und topaktuell über neuste Entwicklungen informiert, weil der Informationsfluss der Fakultät mehr oder weniger über ihren Schreibtisch ging bzw. sie beim gemeinsamen Kaffee oder Mittagsessen davon Wind bekamen. Im Gegenzug wurden sie allerdings ständig durch auferlegte Handlangertätigkeiten von ihrer eigentlichen Arbeit abgehalten. Meist hatten (und haben) sie halbe Stellen, verrichten aber die Arbeit ganzer Stellen, ihre wissenschaftlichen Arbeiten kommen nicht vom Fleck, sie müssen an Abenden, Wochenenden und im Urlaub schreiben. Oft ziehen sich ihre Doktorarbeiten über viele Jahre in die Länge, manche werden damit nie fertig.

Ich konnte mir dagegen meine Zeit frei einteilen, bekam aber viele Dinge zu spät oder gar nicht mit. Ich versuchte meinen Betreuer wenigstens 1-2 im laufenden Semester zu sehen, eine Arbeitsprobe zuzumailen und bei einem gemeinsamen Mittagessen zu besprechen. Obwohl ich Doktorand war, war es für mich aber fast immer schwer einen Termin zu bekommen. Oft lagen zwischen dem Versenden der Arbeitsprobe und einer konkreten inhaltlichen Fragestellung 2-3 Wochen. In der Zeit hatte ich längst eine eigene Antwort gefunden, eine Lösung improvisiert und weitergeschrieben, bei den Treffs hatte ich längst neue Themen zu besprechen, aber eine neuere Arbeitsprobe hatte der Betreuer nicht mehr bekommen, nicht ausgedruckt, nicht gelesen.
Noch mehr als im Grund- und Hauptstudium fehlte mir ein verlässlicher Ansprechpartner, ein erfahrenes Gegenüber, ich verlor unheimlich viel Zeit, weil ich Umwege machte, im Nebel rumstocherte, an Lappalien kleben blieb, vermeidbare Fehler machte. Ich fuhr deswegen zu Tagungen und Kongressen, hielt Vorträge, hörte mir andere Vorträge an. Die Hierarchien zwischen etablierten Professoren, Privatdozenten, Doktoranten und einfachen Studenten war dort dieselbe wie an Uni und Hochschule meiner Heimatstadt. Professoren blieben unter sich, vollkommene Ellbogenmentalität, Buckeln nach oben, Treten nach unten. Es gab hier punktuellen wissenschaftlichen Austausch, aber die Themen waren extrem speziell, die Zeit extrem knapp (15-20 Min. Vortrag, 5-10 Min Diskussion). Die wohl wichtigste Erfahrung war, dass sich andere zum Teil in viel prekäreren Situationen befanden als ich (Geldnot, Zeitnot, schlechte Stimmung, Isolation, etc.).

Im Nachschlag werden einige ausgewählte Vorträge solcher Tagungen verschriftlicht und in einem Jahrbuch oder Tagungsband zusammengefasst. Der erscheint dann meist 12-18 Monate später als Buch, ist also alles andere als eine unmittelbare Äußerung, sondern eine komplett ausgearbeitete und abgesicherte These. Es kommt dazu, dass das Schreiben eines Artikels nicht finanziell honoriert wird, das heißt, ein Autor schreibt je nach Aufwand ca. 2-6 Wochen ohne jede Bezahlung an solch einem Text. Das können sich festangestellte Professoren leisten, Doktoranden und einfache Studenten eher nicht, die schreiben ja bereits an ihren Promotionsschriften, Master- und Bachelorarbeiten ohne was dafür zu bekommen.
Ich kann mich erinnern, dass mein Betreuer kurz vor der Abgabe meiner Promotionsschrift ein paar Kollegen aus dem Flur zusammentrommelte um für mich als Zuhörer zur Verfügung zu stehen. Ich referierte eine ca. 30 Min Zusammenfassung meines Themas an dem ich bis dahin ca. 6 Jahre recherchiert und über 400 Seiten geschrieben hatte. Es kamen schließlich drei von vielen Eingeladenen, einer kam später, eine andere musste früher gehen, mein Betreuer war die ganze Zeit da, mit meinem popmusikalischen Thema war keiner im Ansatz vertraut. Vielmehr inhaltlichen Austausch gab es kaum, mit dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses ging es meist um Termine und Formalitäten (Ist eine Veröffentlichung als ebook erlaubt oder eine kostenintensive Printversion erforderlich?). Ähnlich lief es auch während der Prüfung. Alle beteiligten Prüfer hatten sichtlich Angst sich mit einer verfänglichen Frage vor den Kollegen und dem Protokollführer zu blamieren. Ich war inhaltlich auf eine Verteidigung meiner These eingestellt, ein Diskurs oder eine Diskussion, die diesen Namen verdient, entstand an diesem Tag leider nicht. Ich bin von keinem der Beteiligten jemals wieder auf mein Promotionsthema angesprochen worden.

Nach diesen diversen Erfahrungen stelle ich mir heute als promovierter Musikwissenschaftler die Frage: Wo findet eigentlich musikwissenschaftlicher Diskurs statt?
Meine ernüchternde Erfahrung hat mir gezeigt, dass ein Diskurs nicht in den Vorlesungen und Seminaren von Hochschulen und Universitäten stattfindet, jeder arbeitet für sich, es gibt kaum Austausch, kein Interesse aneinander, keine Fragestunde, Sprechstunden sind knapp bemessen, seit Bologna zählen noch mehr als bereits vorher Noten, Punkte, Scheine, Diskussionen gelten als Zeitverschwendung. Unmittelbar findet ein Diskurs meiner Erfahrung nach auch nicht bei Kongressen und Tagungen statt, dazu sind derlei Veranstaltungen schon strukturell viel zu exklusiv (Anreisekosten, Übernachtungskosten, Eintrittsgeld (selbst für Referenten), kaum zirkulierte Ankündigungen, extrem langfristige Planung. Die Professoren bleiben unter sich, für aufstrebende, etablierte Kräfte ist es ein Präsentationsforum, eine Jobmesse, ein Who-is-Who, es geht dabei nicht in erster Linie um Inhalte oder Argumente.
Auffällig ist auch, dass es nahezu keine Kritik musikwissenschaftlicher Literatur gibt. In den Feuilletons von etablierten Zeitungen und Zeitschriften werden solche Inhalte nicht besprochen. In den allermeisten Fällen haben die Autoren keine eigenen Webseiten (stattdessen standardisierte und oft deutlich veraltete Bios auf dem eigenen Uni-Server), von einem Blog mit Kommentarfunktion ganz zu schweigen. Selbst Fachkollegen haben keine Zeit oder kein Interesse derartige Texte zu lesen, allenfalls ein sog. Abstract, eine ca. halbseitige Zusammenfassung. Bestenfalls können die Autoren einen Kollegen überreden wenigstens einen ankündigungsartigen Text zu verfassen. Auf eine Buchveröffentlichung substanziell zu reagieren, eine alternative Sichtweise aufzeigen? Warum sich die Arbeit machen, warum sich Kollegen zu Gegnern machen, warum Gräben aufreißen? Es gibt umfangreiche, aufwändige Sammelbände die Monate und Jahre nach Erscheinen keine einzige Kundenrezension beim führenden Versandbuchhändler Amazon vorweisen können. Startet man eine Google-Suche findet man außer den Verlagsseiten keine weitere Erwähnung. Die Leute arbeiten einsam und isoliert vor sich hin, reagieren nicht auf die Thesen anderen und ärgern sich vermutlich selbst darüber keine Reaktionen hervorgerufen zu haben.

Ich habe bald festgestellt, dass die Veröffentlichung wissenschaftlicher Aufsätze in Printformat nicht meine Sache sind. Es dauert lange bis eine These entwickelt und eine solcher Arbeit wasserdicht formuliert ist, man kann sie dann einreichen, eventuell wird sie abgelehnt, vielleicht nach weiteren Veränderungen angenommen, dann erscheint der Text 12-24 Monate später in Kleinstauflage in einem Sammelband für 30-60 Euro, es gibt keine Werbung, keine Besprechungen, keine Reaktionen. Durchblättern werden das Buch wohl nur die Autoren, die einen Beitrag geleistet haben, um sicher zu gehen, dass sie auch wirklich drin sind, an den Text werden sie sich im Detail kaum noch erinnern können, es ist zu lange her. Als Außenstehender könnte man sich fragen, warum tun sich die Autoren so was dann überhaupt an? Tja, die Antwort ist, sie haben keine andere Wahl, wenn sie eine wissenschaftliche Stelle im deutschen Bildungssystem haben wollen. In der deutschen Geisteswissenschaft ist die Anzahl der wissenschaftlichen Veröffentlichungen die harte Währung in der gezahlt wird, nach der Professuren vergeben werden. Und da kommt es nicht einmal in zweiter Linie auf den Inhalt an und schon gar nicht auf den erfolgten oder folgenden Diskurs an (die Texte liest wie gesagt sowieso kaum einer). Die Anzahl und Orte der Veröffentlichungen werden wie Trophäen gesammelt, es zählt der sogenannte Hirschindex oder Hirschfaktor.

Als Diskursmedium bietet sich das Web 2.0 idealerweise an. Es ist nahezu kostenlos, fast jeder hat freien Zugang, es ist rund um die Uhr geöffnet, arbeitet in Echtzeit, Zitate, Tondokumente, Videos etc. können problemlos verlinkt werden. Außerdem blendet es Hierarchien nahezu aus und durch die schriftliche Form werden Argumente versachlicht. Selbst für sehr spezielle Themen können sich Interessierte zusammenfinden und nicht nur Thesen und Argumente, sondern auch Erfahrungen und Tipps austauschen.
Ich betreibe den „Dennis Schütze Blog“ seit Anfang 2013 und schreibe über Musik, Videos, Filme, Bücher, Notenausgaben, Konzerte, Reisen und Geschichten, die im weitesten Sinne mit Popmusik und Popkultur zu tun haben. Ich kann schreiben was ich will und es sofort veröffentlichen. Es sind Kritiken, Erlebnisberichte, Ankündigungen, Kurzgeschichten, Fotoserien, Meinungen und Kommentare dabei. Auf einige meiner Artikel bekomme ich von Lesern ausführliche und zum Teil sehr fundierte Reaktionen. Seit ich meinen Blog schreibe, lese und kommentiere ich auch Artikel anderer Blogs und profitiere stark davon. Ich habe den Eindruck, dass ich mich endlich in einem fruchtbaren und anregenden, intellektuellen Austausch befinde. Können das Web 2.0 und Blogs die Zukunft des musikwissenschaftlichen Diskurs sein? Ich meine, es ist momentan die viel versprechendste Form der themenspezifischen, weltweit-öffentlichen Kommunikation.

18 Gedanken zu „Frage: Wo findet eigentlich musikwissenschaftlicher Diskurs statt?

  1. Web 2.0 ist sicher die ideale Plattform für einen Diskurs über Musik. Aber für direkt “musikwissenschaftliche” Diskurse habe ich meine Zweifel.
    Du schreibst: “Selbst für sehr spezielle Themen können sich Interessierte zusammenfinden”. Die müssen aber dann sozusagen immer als “Menge parat” stehen und auf einen entspr. Artikel reagieren wie das Huhn auf das Korn.
    Für bestimmte Themenbereiche ausserhalb der Musik funktioniert das Zusammenfinden manchmal erstaunlich gut und man fragt sich, wieso das so ist. Ich denke etwa an feministische oder Wissenschaftsblogs.
    Was genau strebst Du also an? Einen Meinungsaustausch über Musik oder wissenschaftl. Aufarbeitung musikalischer Themen? Das ist mir noch nicht klar.

    • @Gerhard: Danke für deinen Kommentar. Ich habe keine Lösung parat. Es ging mir darum die Situation aus persönlicher Perspektive zu beschreiben und das Problem zu formulieren. Die Orte an denen der Diskurs eigentlich stattfinden sollte, kommen ihrer Aufgabe nicht nach und die Initiative Einzelner wird das systemimmanente Problem wohl nicht beheben können.

  2. Deine Abrechnung mit dem Elfenbeinturm ist sehr treffend; mir ging es im Studium teilweise ähnlich – auch schon lange her – aber dennoch war ich in einer reinen sozialromantischen Geisteswissenschaft wohl mehr mit Diskussionen verwöhnt. Mittlerweile hat sich das aber leider auch dort seit Bologna! geändert. Die zunehmende Kosten-Nutzen Sicht von Ausbildung verbessert die Situation auch nicht gerade. Das treibt schon üble Blüten, wenn dann BWLer ne Auszeit in ihren CV einbauen,weil sie sonst keine vergleichbaren Chancen haben oder dergleichen….
    naja wenn juckt denn noch wirklich (ausser natürlich, die im Elfenbeinturm sitzenden und diesen anstrebenden) was das so abgeseiert wird?
    Das Leben egal ob für Laien oder Profis spielt sich doch eh im Netz ab, wenn man nach Neuem oder Aktuellem sucht – auch wenn mittlerweile wieder ein Revival des analogen gepredigt wird. Dort jedenfalls passieren sie die Veränderungen, dann eben als byproduct von Firmen oder auch privat.
    Was zu analogen Zeiten an aktuellem popmusikalischen Diskurs vereinzelt in Zeitschriften, Fanzines oder Ähnlichem ablief breitet sich nun in aller Vielfalt im Netz – meist in blogs und Foren – aus. Welchen kulturellen Beitrag bieten dazu im Vergleich noch klassische UNis? Die haben sich doch meist in die Wirtschaftlichkeit veruggt und wollen ihre Pfründe sichern. Da hängt doch schon wieder ein gewaltiger Muff in den Talaren – auch wenns die ja nicht mehr gibt… nough said

  3. Interessanter Einblick und recht nieder schmetternd. Wäre interessant, in welchen Fächern es ab welcher Karrierestufenleiter bzw. ab welchem Qualifizierungsniveau es ähnlich zugeht. Vielleicht magst du den Text deinem alten Studierkollegen Krischan Lehmann für sein Forum nensch.de zur Verfügung stellen? Wahrscheinlich ist die Site ab nächste Woche ohne Anmeldung frei zugänglich. Lohnt sich !- j

    • @JoFi: Danke für’s Feedback und den Hinweis zu nensch.de. Komme da im Moment tatsächlich nicht rein, vielleicht kannst du ihn schon mal auf den Artikel aufmerksam machen und pack noch einen lieben Gruß oben drauf. 😉

  4. @Dennis: Ich möchte deinen bewegenden und mutigen Artikel mal so zusammenfassen: “Ich habe studiert, weil ich neugierig war (Erkenntnisinteresse), aber die ganze Zeit nie jemanden gefunden, der aus dem gleichen Grund studiert hätte. Das irritiert mich bis heute.”

  5. Geisteswissenschaftlicher Elfenbeinturm? Ja. Musikwissenschaftliche Insel der Glückseligkeit? Auch das. Was den wissenschaftlichen Diskurs angeht, habe ich sowohl im Studium als auch danach im Forschungsprojekt echt Glück gehabt. Hatte Dozenten, Professoren die Ansprechpartner und Sparring-Partner waren. Nicht alle, doch genug, um nicht nur fachlich einiges zu lernen, sondern damit auch für die Persönlichkeitsentwicklung genug abhält.

    • @Christian Grote: Danke für den Kommentar und herzlich willkommen auf diesem Blog. Beim ersten Mal muss der Kommentar noch freigeschaltet werden, ab jetzt erscheint er sofort.

      Freut mich, dass bei Ihnen das Fazit insgesamt positiver ausfällt, das sollte aber eben nicht Glückssache sein. Ich meine, dass im geisteswissenschaftlichen Bereich grundsätzlich eine partnerschaftliche, diskussionsfreudige und kooperative Atmosphäre herrschen sollte, deswegen muss es von Anfang an Möglichkeiten zum konstruktiven Diskurs in möglichst vielen verschiedenen Variationen geben. Es kann nicht sein, dass man als Diskutant im musikwissenschaftlich-akademischen Sinn erst satisfaktionsfähig ist, wenn man das Promotionsstudium beendet und die Uni oder Hochschule womöglich hinter sich gelassen hat. Da nützt es ja dann auch nichts mehr. Wie hat sich das bei Ihnen dargestellt? Und welche Formen des Diskurses nutzen Sie heute?

  6. Dennis.
    Thank you for providing your personal insight into a realm that i have frowned upon for the longest time.
    You are painting a very pitiful, sorry ass picture here and I am struck dumb w/ horror, really.
    One can only wish that your in-depths reflections will somehow reach those who are part of the educational system (in general), resonate w/ them and ideally result in restructuring the whole shebang.

  7. Ich tue mir mit dem Wort “musikwissenschaftlich” etwas schwer. Persönlich glaube ich das es einen sehr lebendigen Diskurs über Musik gibt. Hier geht es jedoch um einen Beleuchtung außerhalb von wissenschaftlichen Betrachtungen. Es geht um Geschmack, Erfolg, Verkaufszahlen oder einfach um den Puls der Zeit, den Hype den etwas erzeugt.
    Die Frage, die sich stellt ist: “Warum wissenschaftlicher Diskurs?” “Wer ist dazu überhaupt in der Lage?”
    Da Musik – im Gegensatz zu naturwissenschaftlichen Themen – ein jedermann berührt, ist der Diskurs über Musik so allgegenwärtig, dass eine breite wissenschaftliche Beleuchtung vielleicht gar nicht notwendig ist (oder ist es ganz besonders notwendig?). Dass Musikwissenschaftler im dunklen Kämmerchen ihre Theorien ausarbeiten und einem Fachpublikum mit großer Verspätung präsentieren, passt für mich hierzu ins Bild. Ich möchte nicht sagen, dass der wissenschaftliche Aspekt unnötig ist, ich könnte mir jedoch vorstellen, dass es sich hierbei tatsächlich um eine Nische handelt, der es schlicht an Alltagspräsenz fehlt, weil Musik erlebt und nicht – oder selten – analysiert wird.
    Ich verstehe die Intention deines Beitrages und kann deine Ernüchterung sehr gut nachvollziehen. Ehrlicherweise glaube ich, dass sich diese Wahrnehmung nahezu in allen Fachgebieten widerspiegeln wird, wenn man die “überzeugten” Studenten danach fragt. Ich war kein überzeugter BWL Student, deine Beschreibung des Studienablaufes ist aber eine Blaupause dessen, was ich erlebt habe.
    Ich glaube aber auch, dass dein Wunsch einen wissenschaftlichen Diskurs in das Web 2.0 zu transportieren nicht zwingend so geeignet ist, wie du dir vielleicht wünscht. Es stimmt, die von dir aufgezählten Vorteile sind gegeben. Leider zeigt das Web 2.0 häufig aber auch eine hässliche Fratze, da nicht jeder, der am Diskurs teilnimmt auch tatsächlich das Rüstzeug besitzt die Unterhaltung zu führen. Insbesondere Foren in Fachthemen leiden stark unter der “Jeder kann wenn er will etwas beitragen” Attitüde. Gerade bei einem emotionalen Thema wie Musik denke ich dass das Web 2.0 denkbar schlechte Karten hat eine wissenschaftlich fundierte Unterhaltung zu führen. Wer eine Meinung hat, wird sie kundtun – egal ob wissenschaftlich, pseudowissenschaftlich oder einfach nur weil es geht.

    • @Simon: Es ging mir in diesem Text nicht darum eine ausgearbeitete Alternative aufzuzeigen, sondern darum aufgrund jahrelanger, persönlicher Beobachtung darzulegen wo musikwissenschaftlicher Diskurs NICHT stattfindet, nämlich im universitären/akademischen Umfeld, genau da wo es eigentlich selbstverständlich sein sollte und man es als Außenbetrachter verorten würde.

      • Dann habe ich dich hier missverstanden. Da dein letzter Absatz eben darauf zielte, dass das Web 2.0 als Ersatz dienen könnte, empfand ich es – nach der “Abrechnung” mit den Universitäten – als abschließende Synthese deines Textes.

        Zum wissenschaftlichen Diskurs an der Uni: Ich befürchte das in der Breite unserer Schulsystem bzw. Unisystem das gar nicht zulässt. Das Bachelor/Master System zielt sehr stark darauf ab, schnell die Studierenden durch die Ausbildung zu kriegen um sie (in der Theorie) Jung und gut ausgebildet auf den Markt los zulassen. Das Ergebnis ist freilich, dass die jungen Menschen eher schlecht ausgebildet sind, weil Sie der Menge an Stoff zum Opfer fallen und das einzig mögliche tun: Lernen, Schreiben, Vergessen.

  8. @Simon, das klingt überzeugend.
    Ich kann mir nicht vorstellen, daß sich Leute, die breite und fundierte Kenntnis in Musikwissenschaften besitzen, auf einer bestimmten Seite zusammentun, um zu diskutieren, es sei denn sie hätten einen präzisen Vorteil davon..
    Jeder dieser Leute wird seine eigene Seite betreiben, auf der er seine Sicht und seine Erkenntnisse darstellt. Wieso soll er seine Sichten fast ausschliesslich in einem Forum darstellen, ohne “eigenen Nährwert”?
    Das sind Egofragen! Und das Ego kannst Du niemals aussen vor lassen!.
    Oder hat jemand etwa einen Neurowissenschaftler gesehen, der mit anderen ausgewiesenen Experten/Grössen auf SEINER Seite diskutiert?

      • @Dennis: Zumindest wären die Fakultäten in der Lage so etwas zu tun. Die Ressourcen werden lediglich nicht gut genutzt.

        @Gerhard: In wie weit hier nur das Ego im Weg steht, traue ich mich nicht zu bewerten. Ich habe auch im Web 2.0 schon Personen mit starken Ego erlebt, den es tatsächlich nur darum ging Recht zu haben. Wahrscheinlich eignen sich diese Plattformen sogar besonders gut für eine schnelle Ego Politur, weil man schnell und leicht anderen erklären kann wie falsch sie eigentlich liegen. Grundsätzlich gebe ich dir aber Recht – der Mehrwert ist für die meisten nicht gegeben.

        Abschließend noch eine Frage, da ich Fachfremd bin: Wenn man von Musikwissenschaft spricht, spricht man dann von der Analyse und ggf. Weiterentwicklung von Musik oder von der historischen Aufarbeitung (beispielsweise den Werken von Wagner).

        Ich frage, da ich mir zumindest vorstellen könnte, dass wissenschaftlich betrachtet, die Musik “erforscht” ist. Es ist nicht wie in der Naturwissenschaft, in der sich noch immer riesige Rätsel auftun. Liege ich damit falsch? Könnte dies den fehlenden Diskurs mit erklären?

        • @Simon: Interessanter Gedanke, aber nein, ich denke nicht, dass die “Musik” komplett erforscht ist. Dieses finale Forschungsstadium steht auch noch nicht unmittelbar bevor 😉

          Hier mal zwei wichtige Definitionen (Wikipedia, dt., engl.)

          Musikwissenschaft ist eine wissenschaftliche Disziplin, deren Inhalt die praktische und theoretische Beschäftigung mit Musik ist, d. h. die Erforschung und Reflexion aller Aspekte der Musik und des Musizierens. Das Phänomen Musik wird aus der Sicht aller relevanten Disziplinen (und ihrer Erkenntniswege) betrachtet; dazu gehören kultur-, natur-, sozial- und strukturwissenschaftliche Ansätze. (Wikipedia)

          In Deutschland unterteilt man die Musikwissenschaft traditionell in Historische Musikwissenschaft, Systematische Musikwissenschaft und Musikethnologie.

          Nerdfact: Bis heute ist noch ungeklärt in welchen dieser Bereiche die Populärmusik (Pop, Rock, Jazz, etc.) gehört. Deswegen wurde sie bisher oft von Vertretern der Sozial- und Kulturwissenschaften erforscht (aus den entsprechenden fachlichen Betrachtungswinkeln), die haben da offensichtlich weniger Berührungsängste.

          Musicology is the scholarly analysis of, and research on, music, a part of humanities. A person who studies music is a musicologist.[1] For broad treatments, see the entry on “musicology” in Grove’s dictionary, the entry on “Musikwissenschaft” in Musik in Geschichte und Gegenwart, and the classic approach of Adler (1885).[2]

          Traditionally, historical musicology (commonly termed “music history”) has been the most prominent sub-discipline of musicology. In the 2010s, historical musicology is one of several large musicology sub-disciplines. Historical musicology, ethnomusicology, and systematic musicology are approximately equal in size.[3] Ethnomusicology is the study of non-Western music. Systematic musicology includes music acoustics, the science and technology of acoustical musical instruments, and the musical implications of physiology, psychology, sociology, philosophy and computing. Cognitive musicology is the set of phenomena surrounding the computational modeling of music. In some countries, music education is a prominent sub-field of musicology, while in others it is regarded as a distinct academic field, or one more closely affiliated with teacher education, educational research, and related fields. (Wikipedia)

  9. Zwischenstand: Seit der Veröffentlichung vor etwas mehr als 24h gab es knapp 150 direkte Zugriffe auf den Artikel “Musikwissenschaftler Diskurs”. Die IPs verweisen auf viele Uni- und Hochschulserver, wow. Danke an dieser Stelle an Stefan Hetzel, der den Artikel auf Facebook (mit Verlinkung) gepostet hat. Darüber kamen ca. ein Drittel der gesamten Zugriffe.

    • Die “Dunkelziffer” könnte sogar noch höher sein, da man den direkten Artikel nicht “öffnen” muss um ihn komplett zu lesen.
      Sind die gesamten Zugriffe auf deinen Blog auch erhöht?

      In jedem Fall ein tolles Ergebnis. Weiter so !

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