Buch: „How to write about Music“ von Marc Woodworth & Ally-Jane Grossan (Hg.)

howtowritebuchDas englischsprachige Buch erschien im Frühjahr 2015 bei Bloomsbury und trägt den Untertitel „Excerps from the 33 1/3 Series […] with advice from industry-leading writers.“ Die Buchserie 33 1/3 erscheint seit 2003, in jeder Ausgabe widmet sich ein Autor ausführlich einem ausgewählten Popmusikalbum. Bis 2016 sind nahezu 120 Bücher in der Serie erschienen. Marc Woodworth und Ally-Jane Grossan sind Autoren bzw. Herausgeber der 33 1/3 Serie und treten bei „How to Write Music“ als Herausgeber auf.

„How to write about Music“ ist ein Lese-, Lern- und Textbuch und richtet sich an Menschen, die über Popmusik schreiben wollen. Es startet mit Vorwort und Einleitung und ist gegliedert in 13 umfangreiche Kapitel. Jedes Kapitel startet mit einer zusammenfassenden Einführung, es folgen zusammengetragene Expertenratschläge in coulagierter Zitatform und drei exemplarische Originaltexte. Jedes Kapitel endet mit einem sog. Writing Prompt um die dargelegte Textform anhand einer konkreten Aufgabenstellung zu erarbeiten. In den Kapitel werden folgende Textgenres vorgestellt: Album Review, Live Review, Track-by-track, Analysis, Artist Interview, Personal Essay, Blog Piece, Artist Profile, Alternatives, How it sounds, Music Scenes, Cultural Criticism, How to pitch a 33 1/3.

Das kluge Vorwort stammt von Rick Moody, die wertvollen Zitate in der Rubrik ‚Expert Advice’ von praktisch erfahrenen Autoren von Rolling Stone, Pitchfork, Deadspin, Radio City und etlichen 33 1/3 Autoren. Die exemplarischen Texte sind zum allergrößten Teil erstaunlich aktuell, darunter Reprints von so renommierten Autoren wie Greil Markus, Lester Bangs, Chuck Klosterman und Lou Reed. Die gebotene Bandbreite ist auf jeden Fall erstaunlich und die Lektüre lehrreich, weil sie aufzeigt, was das Schreiben über Musik alles umfassen kann. Es werden unterschiedlichste methodische Herangehensweisen und textliche Ergebnisse präsentiert. Gerade bei den Expertenratschlägen gibt es zum Teil auch vollkommen widersprüchliche Angaben und das unterstreicht wie wichtig es ist einen individuellen, einen subjektiven Zugang zum Stoff zu finden und (s)eine eigene Geschichte zu erzählen. Dieser persönliche, narrative und undogmatische Ansatz kann als typisch US-amerikanisch verstanden werden und das ist er womöglich auch. Immerhin ist der Popjournalismus im anglo-amerikanischen Kulturraum entstanden und zu früher Blüte gekommen. Vergleichbarer Journalismus entstand in Kontinentaleuropa erst mit beträchtlichem, zeitlichem Verzug (1980er?). Somit ist „How to write about Music“ auch ein Lehrstück über Geburt und Entwicklung eines neuartigen journalistischen Genres. Eine nur ansatzweise vergleichbare Methoden- und Textsammlung gab es bisher weder im anglo-amerikanischen und schon gar nicht im deutschsprachigen Raum.

Fazit: Die Herausgeber haben beeindruckendes geleistet. Formaler Aufbau, thematisches Spektrum, Auswahl der Texte, Aufgabenteile, begleitende Internetseite mit erweiterten Inhalten, das alles überzeugt auf der ganzen Linie. Nicht thematisiert werden interessanterweise die Themenfelder Auftragsakquise, Verträge, Autorenhonorar, Verdienst, Urheberrecht oder aber auch Bewertung, gute/schlechte Kritik, Verriß (und deren Folgen). Etwas arg viel Raum wird für manchen Geschmack vielleicht auch der Bücherserie 33 1/3 eingeräumt, wenn im letzten Kapitel ein Pitch zur Serie exemplarisch dargestellt wird. Das trübt aber nicht den hervorragenden Eindruck den das Lese-, Lern- und Textbuch insgesamt hinterlässt. Dicke Empfehlung für alle popkulturell interessierten Journalisten, Autoren, Blogger und die, die es werden wollen.

Das Taschenbuch erscheint bei Bloomsbury, hat 416 Seiten und kostet ca. 24 Euro.

4 Gedanken zu „Buch: „How to write about Music“ von Marc Woodworth & Ally-Jane Grossan (Hg.)

  1. Ab und an habe ich auf Amazon CDs rezensiert/besprochen.
    Verrisse/Abwertungen finden bei mir bisher nicht statt, dann bespreche ich erst garnicht die CD.
    Es fällt schwer, als Nichtmusiker die den Musikern wohl geläufige Termini zu kennen und zu verwenden. Schlußendlich weicht man darauf aus, wie man die Musik als solche empfunden hat, woher man bestimmte Anteile/Kennzeichen kennt (auch da wäre präzise Quellenangabe immer sinnvoll) und wann, zu welcher Gelegenheit man sie hört und wie oft.
    Manchmal drückt man auch etwas nicht aus, weil man überführt werden könnte, etwas nicht verstanden/gehört zu haben oder auch schlicht, weil das geeignete Wortinstrumentarium fehlt.

    Auf einem anderen Gebiet, den Beiträgen in Kunstkatalogen, habe ich reichlich Erfahrungen gesammelt, nicht als Beitragender aber als Leser.
    Da stösst man auf wirklich gelungene Beiträge, die einen weiter bringen, aber oft auch auf Artikel, die zu sophisticated, zu “philosophisch” sind.

    Ich denke, das meiste lässt sich einfach sagen.
    Und das “eigentlich Unsagbare” kann man andeuten. Man sollte nicht darum ringen, als gelte es “einen Elefanten zu erlegen”.
    Auch sollte man Überflüssiges weglassen … können. Da gibt es oft Zusatzinformationen, die zwar alles komplettieren, aber nicht erhellend zum Verständnis und Einordnung des Werks sind.
    In der Kunst wie in der Musik muß auch sicher von Technik gesprochen werden, das ist Teil des Ganzen und unverzichtbar. Nicht umsonst studiert man in einer Ausstellung/Katalog gewöhnlich die Herstellungsweise eines Bildes – das gibt dann oft zusätzlichen Aufschluss über das Kunstwerk selber. Allzuoft hat man als Betrachter/Zuhörer DAS nicht, was speziell bei Kunst manchmal das Verständnis verdirbt.
    Wichtig ist auch der Zeitbezug, der gesellschaftliche Rahmen.

    Ferner, zum Abschluß jetzt, sollte der Rezensent darauf hinweisen, WIE die Musik eingespielt wurde, wer die einzelnen Schritte begleitet/produziert hat usw.

    • @Gerhard: Danke für die ausführliche Darlegung deiner Gedanken. Ich denke schon, dass es noch eine andere Variante geben sollte als positive Rezension oder Stillschweigen (bei Nichtgefallen). Kontroverse belebt das Geschäft und zwar nicht nur das der Rezensenten, sondern auch das der Musiker und anderen Kunstschaffenden. Voraussetzung ist natürlich, dass eine Einschätzung einigermaßen sachlich begründet werden kann.

      So werden andere darauf aufmerksam, bilden sich eine eigene Meinung, beteiligen sich eventuell am kulturkritischen Diskurs. Die Möglichkeit einer persönlichen Auseinandersetzung macht doch Kunst und Musik erst wirklich wertvoll. Wenn alles immer nur positiv bewertet wird oder bei Nichgefallen unkommentiert bleibt, empfinde ich das als langweilig und daher insgesamt wertmindernd. Es ist dagegen bereichernd eine Meinung zu haben und sie sich selbst und anderen erklären zu können. Das ist eines der unantastbaren und mutig erkämpften Privilegien unserer freien Gesellschaft.

      • Es war klar, daß Du auf diesen Punkt abheben würdest!

        Weshalb ich negative Kritik BISHER vermieden habe, liegt daran, daß ich mein Missfallen an so manchen Musikprodukten, die ich erworben habe, ungern öffentlich äussere, weil es durchaus sein kann, daß
        a) es nicht zu meinen bevorzugten Genres gehört
        b) ich nicht wirklich zugehört habe
        c) das Besondere nicht wahrgenommen habe
        d) ich noch hinzulernen könnte, also das Produkt noch wertschätzen könnte
        e) ich die Chancen des Produkts damit schmälere
        usw.
        Aber Du hast recht. Jeder, der ein Produkt auf den Markt bringt, muß und sollte damit rechnen, daß es auch verrissen werden könnte. Bisher war es eine Art Ehrfurcht vor dem Aufwand des Künstlers, den er in sein Werk steckte, um es mit einem Wisch “zu erledigen”, das ist ja schnell geschehen, in einem Wimpernschlag.

        Ich werde es überdenken und wohl einige Verrisse einstellen, wenn es es mir wert ist..

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